Sky with clouds
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Sommer – kannst Du noch etwas bleiben?

Sobald sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken bahnt, treffen ihre Strahlen mit voller Wucht auf mein Gesicht. Es dauert nur etwa zwei Minuten und schon legt sich dieses angenehm heiße, prickelnde Gefühl auf meine Haut. Ich schließe die Augen.

Kann das noch ein bisschen bleiben? Nein. Plötzlich verschwindet dieses ganz besondere Gefühl von meinem Gesicht und wird abgelöst von einem frösteln. Ein kalter Wind zieht über mich hinweg. Der Herbst kündigt sich an. So viel zu früh. Er kommt immer viel zu früh. Sommer – ich war noch gar nicht fertig mit dir.

Ein Sommer, der so anders war, als all‘ die Sommer davor und doch war da das selbe, unverkennbare Licht. Die selbe unverkennbare Wärme, die sich in Köpfen, Seelen und Herzen ausgebreitet hat. Die Unbeschwerheit, die von Tag zu Tag begleitete. Im Sommer, da brauch‘ man nicht viel. Eine Decke und eine Flasche Vino. Okay, vielleicht besser zwei.

Ich sträube mich dagegen, doch der Blick aus dem Fenster zwingt mich, es zu akzeptieren. Der Sommer geht. Ein Sommer voller wunderbarer Augenblicke, voll viel zu lautem Lachen, voller Gläser und ein wenig Melancholie. Aber die ist im Sommer so leicht. Man spürt sie kaum.

Von hinten, ganz bedacht und langsam, schleicht sich nun die Herbst-Melancholie an. Die ist wesentlich gröber und begrüßt einen auch gerne mal mit einem etwas zu harten Hieb in die Seite. Die Tage werden kürzer, die Abende auf dem Balkon ungemütlicher, Planungen ertrinken in Regenschauern. Die Alles-Kann-Atmosphäre weicht nun der Alles-Könnte-Aber-Lieber-Nicht-Atmosphäre.

Dieser Sommer hat so unfassbar früh begonnen. Er hat sich sanft über den Frühling gelegt und ihm die ganze Arbeit abgenommen. Heiße März-Tage, die mein Herz heute noch nicht verlassen haben und kalte März-Nächte, in denen eine kleine Decke ausgereicht hat, um doch nicht zu frieren. Herzstädte und die, die es noch werden wollten, Tage im Bikini und Musik, die Gänsehaut macht. Gesichter und Geschichten, die gesehen und erzählt wurden, doch am Ende des Sommers bereits wieder verblasst sind. Die einen mehr, die anderen weniger.

Der Sommer hat uns gezeigt, dass nichts sicher ist, außer wir selbst. Uns wurde unsere Anpassungsfähigkeit vor Augen geführt und gezeigt, dass wir viel besser ertragen können, weil wir es schon oft ertragen haben. Dass sich alles ändert, die Schauplätze und die Statisten, und wir selbst doch die Gleichen bleiben. Dass die Herzen noch funktionieren und unter einem klaren Sternenhimmel ganz gesprächig werden, dennoch so empfindlich sind, dass eine kleine Berührung für blaue Flecke sorgt, deren Umrisse sich auch zu Beginn des Herbstes noch erahnen lassen.

Der Herbst steht für das, was viele von uns fürchten. Veränderung. Schlimmer noch, für Vergänglichkeit. Wir möchten den Sommer und seine heißen Tage und lauen Nächte mit aller Kraft bei uns behalten, doch desto mehr wir nach ihm greifen, desto schneller gleitet er uns aus den Händen, getragen von dem rauen Herbstwind. Die endlosen Tage, die uns selbstverständlich schienen, mit ihren unzähligen Möglichkeiten, driften immer weiter weg. Irgendwann wirken sie nur noch wie ein Film, den man irgendwann mal gesehen hat, dessen Namen jedoch einfach nicht mehr einfallen will.

Auf den Tisch vor mir setzt sich eine Wespe. Ich beobachte ganz genau, wie sie mit ihren zarten Vorderbeinen ihren Kopf putzt. Ihre Bewegungen werden immer langsamer. Sie weiß, was ich weiß. Dann bewegt sie sich nicht mehr. Der Sommer ist vorbei.

“It was one of those March days when the sun shines hot and the wind blows cold: when it is summer in the light, and winter in the shade.” ― Charles Dickens

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