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Mach’s wie Buddha

Ich bin ein großer Fan von Glauben. Ich bin kein großer Fan von institutionalisiertem Glauben. Denn der institutionalisierte Glauben verhält sich genauso, wie andere, vermeidlich allgemeingültige Wahrheiten – es ist schlicht nicht möglich, all’ den Individualitäten auf unserer Welt gerecht zu werden. Daher find’ ich Glauben also top, bei vorgeschriebenen Glauben dreht sich mein Magen um. Die Diskussion, über die Kirche an sich, spare ich mir an dieser Stelle gänzlich.

Es gibt viele Religionen auf der Welt, die den Menschen über Jahrtausende lang Halt und Orientierung geben sollten. Mit keiner kann ich so recht etwas anfangen. Muss ich auch nicht, denn die persönlichen Glaubenssätze gehören zu den individuellsten Gedanken, die wir haben. Die gehören ganz uns. Uns allein. Auf unsere Art. Und dann bin ich auf den Mann mit dem dicken Bauch gestoßen. Auch die Glaubenssätze, Lehren, Philosophien von Buddha sind sehr, sehr alt und haben natürlich auf den ersten Blick rein gar nichts mit unserem modernen, lustigen Smartphone-Tinder-Leben zu tun. Auf den zweiten Blick muss ich zugeben: Weit gefehlt, Folks.

Beginnen wir einmal mit den fünf Säulen des Buddhismus. Diese kommen den christlichen zehn Geboten nah, sind aber nur fünf, für faule Menschen also überaus entgegenkommend beim Auswendiglernen:

  1. Keine Lebewesen töten oder verletzen. Ja, das sollte heute und wie auch in der Zeit von Buddha gleichermaßen gelten. Wir haben nicht das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden. Maßen wir uns dieses Recht dennoch an, müssen wir mit ziemlich schlechtem Karma rechnen – zurecht, wenn Ihr mich fragt!
  2. Nichtgegebenes nicht zu nehmen.Richtig, lass die Finger von Dingen, die dir nicht gehören. Und vor allem, lass die Finger von Dingen, die für dich persönlich nicht gegeben sind. Versuche nicht krampfhaft Türen einzutreten, die sich dir auch beim xten Mal Klopfen nicht öffnen wollen. Geh weiter oder versuche es mit ‘ner Drehtür.
  3. Keine unheilsamen sexuellen Beziehungen zu pflegen und sich im rechten Umgang mit den Sinnen zu üben.Numero Uno: Finger weg von Fuckboys! Als hätte Buddha unseren Tinder-Lifestyle kommen sehen. Eine Beziehung, egal auf welcher Ebene, sollte immer ein Benefit sein, dein Leben optimieren, nicht schwerer oder noch beschissener machen, als es sowieso schon ist. Spar dir den nächsten unbedeutenden Tinder-ONS und kümmere dich um die wichtigste Beziehung, die du in deinem Leben führst: Die zu dir selbst. A propos den rechten Umgang mit den Sinnen üben – Lerne, deine Gedanken zu steuern. Natürlich werden wir in diesem Leben verletzt und unser Herz wird rausgerissen. Aber lerne, damit umzugehen und vermeide, dass dies über einen langen Zeitraum dein Dasein massiv beeinflusst. Iss’ trotzdem mindestens zwei Becher Ben & Jerry’s und hör die Spotify Heartbreak-Playlist hoch und runter. Aber hör irgendwann auch wieder auf damit.
  4. Nicht lügen oder unheilsam reden. Stichwort: Kill them with kindness. Ja, wir finden nicht alle unserer Mitmenschen super. Uns wird unrecht getan. Lästern kann riesigen Spaß machen, wenn wir mal keine Lust haben, uns mit unseren eigenen Baustellen zu beschäftigen. Aber ganz ehrlich: Lasst es sein. Im Endeffekt ist es nicht mehr als Negativität die wir damit in unsere Gedanken und unsere Seele lassen. Und die hat da nichts zu suchen, wenn wir zufrieden, glücklich und positiv durch den Tag gehen wollen. Wenn es nichts nettes zu sagen gibt, gibt’s immer noch eine Alternative: Schweigen. Kann auch mal ganz befreiend sein.
  5. Das Bewusstsein nicht mit berauschenden Mitteln trüben. Sonntagmittag, ich mache die Augen auf, in meinem Kopf veranstalten 23 40-Tonner LKW’s ein Hubkonzert, der Gin Tonic der gestrigen Nacht findet seinen Weg zurück ans Tageslicht – in die Kloschüssel. Yes, ich stimme voll zu. Spaß bei Seite, ab und zu ist das sicher mal drin. Gut ist, das Credo zu befolgen, nicht zu trinken, damit es einem besser geht, sondern nur zu trinken, damit es einem noch besser geht. Ist nicht immer machbar, weiß ich. Been there, done that. Ist deswegen wahrscheinlich auch der fünfte Punkt, die faulen Menschen haben sowieso schon aufgehört zu lesen.

So. Das zu den fünf Buddha Stammsäulen. Kann man mit arbeiten, denke ich. Auch heute. Aber das war ja noch nicht alles, was der schlaue Mann uns hinterlassen hat. Im Buddhismus gibt es vier grundsätzliche Wahrheiten. Diese Wahrheiten sollen die ultimativen Tools dafür sein, sein Leben in den Griff zu kriegen und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Erkenntnis zu erlangen. Nun gut, mit dem Wesentlichen ist das natürlich immer so eine Sache, aber die vier Super-Wahrheiten hören sich für mich schon so ziemlich sehr wesentlich an. Außerdem sind diese Wahrheiten als Fragen formuliert, was mich als absoluter Hinterfragungs-Fan ganz aufgeregt werden lässt.

  1. Was ist Leiden? Nach der Lehre des Buddhismus gibt es drei verschiedene Leidensarten. Diese sind das Leid der Veränderung, das Leid der Bedingtheit und das Leid des Lebens an sich. Jackpot, in meinen eher dunklen Zeiten hätte Buddha hier direkt ein dickes High-Five von mir bekommen. Endlich einer der mich versteht. Aber hier sind definitiv schon einmal die grundsätzlichen, übergeordneten Dinge genannt, die am häufigsten Leid in unserem Leben verursachen. Veränderte Situationen und Umstände lassen uns unter der Angst vor Neuem und dem Nachtrauern über das Vergangene leiden, wir möchten uns in unserer Nostalgie suhlen und vor allem was kommt, die Augen schließen. Außerdem ist alles bedingt in unserem Leben, wir suchen nach dem Vollkommenen, können es aber nicht finden und spüren daher ständig diese kleine, nagende, in den Bauch pieksende Unzufriedenheit in uns. Und dann ist da noch das Leben an sich, mit seiner anstrengenden Arbeit, den schrecklichen Themen wie Krankheit und Tod, Abschieden, Trennungen und dem unaufhörlichen Altern. Wir leiden – ständig, ohne Chance auf Entkommen. Oder etwa doch?
  2. Wie entsteht das Leiden? Nun wurde also erst einmal eine Definition geschaffen, mit der man arbeiten kann. Was Leiden ist, ist zwar nun nicht gerade hoffnungserweckend – nämlich alles – aber es ist irgendwie greifbar. Und woraus entsteht es? Durch Gier. Durch Hass. Durch Verblendung. Durch Festhalten von Dingen. Durch Lebensdurst. Durch Unwissenheit. Zack – in your face. Alles Dinge, von denen wir uns schon immer gerne lösen wollten, es in unserem Alltag aber wohl nie zu einhundert Prozent gebacken bekommen. Und deshalb ist da auch immer ein bisschen Leid.
  3. Wie kann das Leiden überwunden werden? Genau das mag ich am Buddhismus. Er erzählt mir Wahrheiten, und liefert dann direkt danach die Lösung. Sehr pragmatische Art des Glaubens. Klick, gefällt mir. Nur muss ich hier die Lösung natürlich so nehmen wie sie ist, und, wer hätte es gedacht, hört sich in der Theorie simpel an, die Praxis wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach komplizierter gestalten. „Durch das Aufgeben des Begehrens.“ Einfach übersetzt: Lass los, was dir nicht gut tut! Einhundert Mal gehört, stets problematisch in der Umsetzung. Dennoch immer wieder einen Versuch wert.
  4. Auf welchem Weg kann dies erreicht werden? Der Buddhismus ist so super, der weiß, dass die philosophische Lösung des Problems des Leidens mich vor neues Leiden stellt. Also noch eine genaue Anleitung, for Dummies quasi. Die vernünftige Mitte muss dafür gefunden werden – sprich, wir müssen unsere innere Balance finden. Und zwar zwischen Genuss und Disziplin. Ich übersetzte: Lebe frei, schränke dabei aber nicht die Freiheit deiner Mitmenschen ein. Iss ein Ben und Jerry’s, vermeide dabei, die komplette American Cookies Schachtel als Löffel zu nutzen. Gebe, aber sieh ein, wenn du dir selbst dadurch zu viel wegnimmst.

Habe ich zu viel versprochen? Nich dumm, der dicke Mann, nicht dumm. Tatsächlich lassen sich die Lehren des Buddhismus perfekt auch auf das Dilemma der heutigen Menschheit anwenden. Es ist unglaublich spannend zu sehen, dass die Lebensumstände sich so sehr verändert haben, wie der alte Buddhas es sich wohl in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können, der Kern unseres Lebens und unserer Probleme von diesen Veränderungen aber unangetastet bleibt.

Was wichtig ist? Im Hier und Jetzt zu Leben und alles Kommen und Gehen zu lassen, wie es nun einmal gerade kommt. Nein, wir sollen uns nicht nur zurücklehnen und das Leben nach dem Laissez-Faire Prinzip erziehen. Natürlich müssen wir Verantwortung für unser Handeln übernehmen, aber solange dieses Handeln von positiven Gedanken und guten Absichten geprägt ist, sind wir auf der sicheren Seite, egal, was um uns herum, ungeachtet dessen, so passiert. Unsere eigenen Gedanken und unsere Seele muss Balance finden. Wir müssen den Fluß unseres Lebens fließen lassen, können unser Boot zwar ab und zu durch ein paar Paddel lenken oder über eine kurze Strecke den zusätzlichen Antrieb eines Außenbordmotors nutzen – nur den Fluß trockenzulegen, das ist keine Option. Wir sollten mehr zum Beobachter, als zum Lenker finden. Und dann bin ich mir sicher, dass unser Blick, während des Beobachtens, schon ganz bald auf wahnsinnig tolle Dinge fällt, die das Leben, das wir an einer so langen, lockeren Leine lassen, für uns bereithält.

In diesem Sinne – Namaste.

„Groll mit uns herumtragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu werfen. Man verbrennt sich nur selbst dabei.“

Buddha

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