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Das Streben nach Glück

„Und wo sehen Sie sich so in 5 Jahren?“ „Ach, das spielt eigentlich gar keine Rolle – hauptsache glücklich!“

…was für ein Schwachsinn. Glück. Einer der hochtrabendsten Begriffe unseres Wortschatzes, absolut inflationär gebraucht, in sich aufgrund seiner unfassbaren Bedeutungsüberladung eigentlich komplett überflüssig. Überbewertet wie Madonna’s Auftritt beim ESC.

Die Menschen möchten ständig glücklich sein. Jagen dem Glück in allen Bereichen ihres Lebens hinterher. Nur noch das, und das muss passieren, dann bin ich endlich glücklich! Wenn ich diesen einen – zwar auch nach ein paar Monaten super lahmen und ausbeuterischen – Job bekomme, dann bin ich glücklich. Wenn ich endlich meinen Seelenpartner finde und wir jedes Wochenende in anspruchsvollen Möchtegern-Intellektuellen-Kunstaustellungen, verbringen und ich seine stinkenden Socken waschen darf, dann bin ich glücklich. Wenn ich die tolle vier Zimmer Wohnung bekomme, in der sich auch nach kürzester Zeit, der Staub exponentiell vermehren wird und langsam der Putz von der schlecht isolierten Schimmel-Stelle abbröckelt, dann bin ich glücklich.

Glücklich waren wir entweder und werden wir in Zukunft sein. Als ob Glück ein Zustand wäre. Glück als einen Zustand zu begreifen, bringt uns in eine der größten Bredouillen unseres Lebens. Denn Zustände wollen erreicht und gehalten werden – ouh, da sieht es aber schlecht aus mit dem kleinen fiesen Glück. Deshalb sehen wir das Glück entweder nur im Rückspiegel, in unserer Vergangenheit: „Ach, da war ich so glücklich!“ (Wetten, dass, wenn wir genau an diesen Punkt deines Lebens zurückgehen doch, im Rahmen von plus oder minus 2 Tagen, irgendetwas geschehen ist, was dein vermeidliches perfektes Glück getrübt hat?) oder in der Zukunft, weil wir einfach eine wundervoll blühende Fantasie haben und es so herrlich einfach ist, alles, mit dem wir jetzt gerade nicht so klar kommen, in die Zukunft zu verlagern, denn die geht uns Gott sei Dank gerade ja noch überhaupt nichts an.

Glück kann immer nur eine Momentaufnahme sein und im Hier und Jetzt gefühlt werden. Wenn wir das verstanden haben, ist das ein erheblicher Fortschritt – denn, sind wir mal ehrlich, die Gegenwart ist immer der einzige Moment, bei dem wir in der ersten Reihe des Live-Konzertes stehen. Doch meistens stehen wir da, glotzen auf unser Handy, filmen eine Instagram Story und denken darüber nach, welche nervigen Pflichten morgen auf uns warten und dass in der Studentenzeit alles noch so viel einfacher war.

Denn, auch, wenn das Glück so individuell wie jeder Mensch ist, so ist es immer fragil. Bei dem Versuch es zu packen und festzuhalten, wird es uns immer aus den Händen rutschen. Jedes. Verdammte. Mal. Denn Glück lässt sich nicht konservieren. Wir können es in die luftundurchlässigste Tupperdose von Mutti packen und dann noch fünf Meter Frischhaltefolie darum wickeln – das kleine miese Ding wird einen Weg finden, zu entkommen – oder einfach ersticken.

Wir sind richtige Glücksjunkies. Immer auf der Suche nach der einen Sache, die uns ewige Glückseligkeit verspricht. Warum wir immer neu suchen müssen? Weil wir merken, dass die Dinge, von denen wir überzeugt sind, dass sie uns in Zukunft glücklich machen, wenn sie da sind, doch nicht das absolute Non-Plus-Ultra sind. Unser Objekt der Begierde kommt und hat einfach vergessen, dass ewige Glücksgefühl einzupacken. Verrückt.

Ich weiß gar nicht, wer sich das ganze Glücks-Tamtam ausgedacht hat. Das Streben nach Glück. Nein, es wäre so viel sinnvoller nach Dingen zu streben, die wirklich den Anspruch haben, der Definition Zustand gerecht zu werden. Oder wir hören mit dem nervigen Streben nach irgendwas einfach mal kurz ganz auf. Glück ist vielmehr Gefühl als Zustand. Und das Gefühle halt so kommen und gehen – Mensch, wer sollte das besser wissen, als die Generation X und Y?

Es gibt halt so Tage, da erlebt man einen Glücksmoment und Tage, da erlebt man halt keinen. Mozart soll einmal in sein Tagebuch geschrieben haben „Überhaupt nichts erlebt, auch schön!“. Yes, I feel you. Dann redet man sich seinen Glücksmoment einfach ein. Es ist halt ein sehr individuelles Ding. Ich habe heute während meines Mittagsschlafes (okay, an sich schon heftiges kurzes Glücksgefühl), von einem Waschbären geträumt. Habe den restlichen Tag damit verbracht, nach dem Traumsymbol Waschbär zu googlen (Ein anderer Mensch wird mir bald ein Kompliment oder ein Geschenk machen – Läuft. Bei. Mir.). Dann habe ich circa 60 bis 90 Minuten Videos von Waschbären auf YouTube geguckt. Prächtige kleine gewitzte Geschöpfe sind das! Sorry, ich schweife ab.

Auch, wenn es in tausend Ratgebern anders steht und die YouTube-Lifecoach-Influencer es mir jeden Tag ins Gesicht knallen – nein, mein Hauptziel im Leben muss nicht der Zustand ständigen Glücks sein. Und nein, ich muss auch nicht auf Teufel komm raus in jedem einzelnen verfluchten Tag mein ganz persönliches Glück finden. Ich kann auch vier oder fünf Tage hintereinander einfach scheiße finden. Oder langweilig. Und gar nichts selbstoptimierendes und glücksschaffendes tun und nur die arschige Taube, immer wieder von meinem Balkon jagen. Vielleicht ist das mein individuelles Glück. Als Momentaufnahme – nicht als Zustand.

Hören wir einfach mal auf, zwanghaft nach dem zu suchen, was uns als nächstes so richtig und für immer glücklich machen wird. Wenn wir unseren Tunnelblick davon einmal lösen, stellen wir vielleicht fest, dass sich das Glück, jetzt gerade, genau jetzt, neben uns auf die Couch gesetzt hat und uns die Chipstüte hinhält.

2 Kommentare

  • Roland Risch

    “Glück” hat mehrere Bedeutungen, die sich erst mit dem Kontext erschliessen.
    Darum ist die Verwendung des Begriffs nicht kritikfähig. Beispiel: Fahrfehler gemacht. Glück gehabt, dass nix passiert ist. Hier: Allgemeiner Sprachgebrauch zur Charakterisierung einer Erzählung aus dem Alltag.

    • Madame Fox

      Danke für deinen Kommentar. Natürlich ist der Begriff “Glück” an sich nicht kritikfähig – doch vielleicht, das Konzept, dass wir auf ihn in dem einen Kontext so sehr projizieren. Danke für deine Gedanken!

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