Von Schwächen, die stark sein wollten.
Es gehört wohl zum Mensch-Sein dazu. Bei den einen sind sie stärker ausgeprägt, bei den anderen schwächer. Die Auswirkungen, die sie auf das Leben haben, unterscheiden sich so stark zwischen uns. Angst haben, die Schwäche zu zeigen – das steckt wohl irgendwie in jedem von uns. Doch drum herum kommen nur die Wenigsten. Und ich muss glauben, dass das okay ist. Obwohl ich die Wenigsten so sehr beneide.
Der Moment in dem unsere Blicke sich getroffen haben. Eingebrannt. Wie das Nudelwasser auf meinem Ceranfeld. Obwohl ich kaum noch etwas darin erkenne, spiegelst du dich so klar. Die Auswirkungen dieses Momentes hätte ich niemals für möglich gehalten, jedenfalls nicht mehr. Doch ist es so gekommen. Wieder. Keine fremden Gefühle, nur Gefühle, die ich nie wieder fühlen wollte.
Und während des Starrens in den viel zu kalten Nachthimmel überschlägt sich alles. Das von dir, und das von ihm. Und eigentlich alles was jemals da war. Rein statistisch ist es gar nicht möglich, dass es immer und immer wieder passiert. Dass ich nicht mehr atmen kann unter all’ den Gefühlen. Vielleicht sollte ich anfangen, dich zu hassen, nicht die Gefühle. Aber die Gefühle sind so viel näher als du.
Es hat nicht lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass du mir gefehlt hast. Schon bevor ich dich überhaupt kannte. Als hätte ich gewusst, dass du da bist, aber dich nicht gefunden hatte. Und für eine kurze Zeit hatte ich dich dann gefunden. Das war schön. Und kurz. Und dann vorbei.
Sind wir Menschen nicht Gewohnheitstiere? Sagt man das nicht so? Es gab so viele Situationen, um sich zu gewöhnen. Es sollte mir nicht mehr als ein Augenzucken entlocken. Und doch tut es so viel mehr. Und alles kommt in den großen Gefühlstopf und es dauert nicht lang, bis die ganze Schweinerei überkocht. Zum Saubermachen habe ich keine Lust. Und auch keine Küchenrolle mehr.
Wir können unsere Hände kaum bei uns behalten. Können den Blick nicht von einander abwenden. Du weckst mich, ein bisschen zu früh, damit wir noch ein bisschen mehr Zeit haben. Ein bisschen mehr Zeit von viel zu wenig. In meinem Kopf ist noch ein wenig Bier und ganz viel Du. So viel von dem du von ein paar Stunden erzählt hast. So viel von dem, was du offenbart hast, ohne dir Gedanken darüber zu machen. Du hast deine Gefühle offen auf dem Tisch ausgebreitet, ohne darüber nachzudenken, was das überhaupt bedeutet. Vielleicht weißt du gar nicht was das bedeutet. Und ich viel zu gut.
Emotionen zu zeigen. Das ist Schwäche. Unbeherrscht. Nicht logisch. Weit entfernt von clever. Wer ganz viel von diesem Emotionen hat, hat es oft schwer, neben ihnen noch ungestört daher zu leben. Denn sie machen sich so furchtbar breit. So breit, dass ich Platzangst bekomme. Und dann fressen sie uns einfach auf. Aber nicht so, dass wir dann nicht mehr da sind, sondern so, dass wir trotzdem noch da bleiben müssen, auch, wenn wir gerade gar nicht wollen.
Schlechtes Timing. Was soll’s. Eigentlich kaum überraschend und schon gar nicht das erste Mal. Niemand hat Schuld, nur das Timing. Dabei gibt es das doch gar nicht. Ausreden. Die gibt es. Und die finden das Timing eher unbeeindruckend und spucken vor lauter Lachen über das Timing ein bisschen vor sich hin.
Wir müssen uns selbst treu bleiben. Dürfen uns nicht von anderen beeinflussen lassen. Uns nicht wegen anderen Menschen verändern. Wegen der Selbstliebe. Und so. Aber wie sollen wir denn die Alten bleiben? Mit jeder Begegnung. Mit jeder kleinen Liebe. Mit den großen Lieben. Würden sie uns nicht verändern, wären sie doch gar nicht so wichtig. Und würden auch gar nicht so weh tun.
Gefühle so groß, dass mein größter Wunsch ist, gar nichts mehr zu fühlen. Alles muss besser sein als das. Natürlich wäre dann die Freude auch nicht mehr zu fühlen, aber das große Ungleichgewicht der Gefühle lässt dies zumindest okay wirken. Ein bisschen Freude gegen viel zu viel nicht atmen können. Vielleicht wäre der Deal es wert.
Gefühle machen uns so verletzbar. Angreifbar. Dabei ist es doch viel besser, unbehelligt von allem, was um uns rum passiert, durch das Leben zu schreiten. Und doch passiert es immer wieder. Das Verhalten von anderen Menschen beeinflusst uns. Sodass wir wie ein rohes Ei auf den Küchenboden knallen und alles an die Hochglanzfronten spritzt. Genau wie das letzte Mal. Obwohl wir doch schon mindestens 26 Texte gelesen haben, die uns sagen, dass das so gar nicht sein darf.
Komplett konsumiert werden. Von allen Gefühlen. Bis irgendwie nichts mehr da ist. Ein Nichts, was unfassbar schwer ist. Vielleicht ist da auch irgendwo ein wenig Stärke in der Verletzbarkeit. Stärke in der Schwäche. Sie muss nur gefunden werden. Sie versteckt sich aber allzu gut.