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Glashausscherben

Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Zack, zack, zack, da fliegen erst einmal viele Steine. Kurz danach: Klirr. Verdammt, Glashausfenster eingeworfen. Vom eigenen.

Menschen machen Fehler. Die These ist wohl nicht wirklich diskutabel. Und es wird kaum ein Mensch unter uns auf dieser Welt weilen, der sich davon ausnehmen kann. Immer perfekt zu handeln, sich immer richtig zu entscheiden, sich niemals zu einer falschen Handlung hinreißen zu lassen, das werden wohl nur die wenigstens von sich behaupten. Und wenn es auch nur in einer stillen Minute der wahrhaft ehrlichen Selbstreflexion ist.

Fehler machen uns irgendwie also alle gleich. Wenn wir sie alle im Laufe unseres Lebens begehen, dann gehören sie wohl, auch, wenn wir es gerne anders hätten, zu unserem Mensch Sein und unserem Leben dazu.

Die Frage, die sich mir stellt, ist, warum die Fehler anderer Menschen so oft die Ausgangslage bilden, um sich darüber empor zu heben, um die Moralkeule zu schwingen, sich darauf zu stürzen wie kleine Spatzen, die seit Tagen keinen Brotkrümel mehr vor den Schnabel bekommen haben. Die erste Antwort auf diese Frage: Weil es so herrlich einfach ist. Es ist so herrlich einfach, die Fehler von anderen zu nehmen, sie hochzuhalten und zu sagen: „Schaut her, was für ein Fehler hier begangen wurde.“ Selbsterhöhung auf dem Silbertablett serviert, wenn die anderen schlechter sind, sind wir natürlich automatisch besser. Die zweite Antwort: Es lenkt so schön ab. Von unserem eigenen Leben, in dem zu einem sehr hohen Prozentsatz auch nicht alles glatt läuft, von Problemen, mit denen wir uns kurz nicht auseinandersetzen müssen, wenn die Probleme der anderen doch so viel leichter zu beurteilen sind, und ganz besonders und am aller liebsten: Von den Fehlern, die wir selbst schon begangen haben. Jetzt gibt es neue Fehler von anderen, da sind die eigenen ausradiert.

Kein Mensch wacht morgens auf und denkt sich: So, heute ist ein super Tag, um mal einen richtig dicken Fehler zu begehen. Um mal richtig scheiße zu bauen. Wenn wir Fehler begehen, dann sind wir uns davor nicht bewusst, dass wir unser Handeln im Rückblick so nicht wiederholen würden. Ansonsten bin ich mir, dem gesunden Menschenverstand die Ehre zusprechend, sicher, dass die meisten Fehler nicht passieren würden. Weder uns, noch den anderen Menschen. Niemandem von uns.

Und wenn wir einmal reflektiert darüber nachdenken, dann sollte uns das – eine gewisse emotionale Grundintelligenz vorausgesetzt – auch klar sein. Denn, wenn wir, bevor wir über die Fehler der anderen urteilen oder sie dazu benutzen, unsere eigenen Unzulänglichkeiten herabzusetzen, einmal darüber nachdenken, was die Natur der Fehler ist, dass niemand von uns davor gefeit ist, dann müssen wir über die anderen Menschen gar nicht so erbarmungslos den Richterhammer schwenken.

Die Zeit lässt sich sinnvoller nutzen. Denn, die eigenen Schwächen mit den noch größeren Schwächen der anderen herabzusetzen, ist längst nicht so effektiv, wie sich seiner eigenen Stärken bewusst zu werden, und im gleichen Zug anzunehmen, dass niemand – nicht die anderen, noch man selbst – so perfekt ist, wie wir es in so manchen Monologen über uns selbst gerne darstellen.

Steine werfen im Glashaus ist also scheiße. Macht viel kaputt und bringt letztendlich nur die Glasbruchversicherungsvertreter zum Lächeln. Besser: Fenster putzen. So kann man die eigenen Fehler viel besser sehen – und all’ das, was wir richtig machen, kann sich viel besser spiegeln.

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