Gedankenchaos stilistisch
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Gaslighting − Wenn der eigenen Wahrnehmung misstraut wird

Ich erinnere mich. Ich erinnere mich an die unzähligen Male, an denen ich auf meiner Terrasse saß und ungläubig auf mein Handy starrte. Mindestens an genauso viele Male, an denen ich nachts wach lag und mich gefragt habe: Spinne ich wirklich? Bin ich hier die, die falsch liegt. 

Mit dem nötigen Abstand betrachtet: Nein. Derjenige, der falsch lag, bist du. Besser gesagt: Du bist derjenige, bei dem mich mein Bauchgefühl von Anfang an nicht getäuscht hat. Selbst zu einem Zeitpunkt, an dem es objektiv noch keinerlei Anlass dazu gab, zu dieser Vermutung zu kommen, hat es mir mein Bauch entgegen geschrien: Du bist ein Manipulator. 

Ja. Gaslighting ist Manipulation. Das Schlimme an dieser Form der Manipulation ist jedoch, dass sie so unscheinbar ist. Sie trägt ein süßes Sommerkleid und streicht sich verlegen die Haare aus dem Gesicht. Ihr sitzt im Café und sobald du kurz zur Seite schaust, schüttet sie dir allerdings ein wenig Gift in deinen liebsten Matcha Latte. Aber nicht so viel, dass du direkt umkippst. Nur soviel, dass du ein paar Stunden mit Bauchschmerzen des Todes im Bett liegst und dich vor Schmerzen krümmst. Danach ist alles wieder vergessen − bestimmt nur was falsches gegessen. Oder laktoseintolerant. 

Du warst wirklich ein Meister deines Fachs. Du warst der berühmte Wolf im Schafspelz. Von außen so unschuldig, von innen so kaputt. Wenn ich an dein Verhalten denke, dein immer wiederkehrendes Verhalten, wird mir schlecht. Nicht, weil ich das erste Mal in meinem Leben merke, dass halt doch nicht alle Menschen irgendwie gut sind. Das hatten wir schon. Vielmehr, weil dieser Gedanke händchenhaltend mit einem anderen kommt: Du hast mich immer wieder eingefangen. Mit deinen fadenscheinigen Erklärungen. Mit deinen Ablenkungsmanövern. Damit, dass das Problem ja eigentlich nur bei mir liegt. 

Jeder Blinde hätte deine Muster nach kurzer Zeit durchschauen müssen. Sie waren so offensichtlich, dass ich mich frage, wann du mir eigentlich diese Augenklappen aufgesetzt hast. Oder habe ich mir sie selbst aufgesetzt? Auch das wusste ich irgendwann einfach nicht mehr. 

Aber − die Augenklappen waren ja gar nicht dicht genug, dass nicht doch immer wieder ein bisschen Realität in sie eingefallen wäre. Dann warst du allerdings direkt zur Stelle und hast wieder deine Muster auf sie gemalt. 

“So ist das doch gar nicht”. “Wie kannst du sowas denken?”. “Noch nie hatte ich mit jemandem diese Probleme, wie mit dir”. “Du bist echt anstrengend”. “Immer fängst du Streit an”. Blabla. Eine Auswahl von Captions für ein Bild, das nicht im Ansatz instagrammable gewesen wäre. Das Bild von dir und mir. Vor uns die Gasflamme. 

Und selbst als ich endlich zu der Einsicht gekommen bin, dass nicht ich das Problem bin. Selbst, als ich endlich die Erkenntnis erlangt habe, dass du mir ab der ersten Sekunde, in der du in mein Leben getreten bist, nicht gut getan hast. Selbst, als ich dir es endlich sagen konnte: “Ich bin raus”. Selbst da war es für dich nicht vorbei. Satz verloren, Match noch lange nicht zu Ende. Weiter Grenzen überschreiten. Weiter spielen, weil du weißt, dass ich nie das Problem war. Dass ich nur ein Problem damit hatte, mich von dir abzugrenzen. Konsequent. Solange, bis du es wirklich zur kompletten Eskalation getrieben hast. Solange, bis ich nichts anderes sagen kann, als “Danke”. Danke für diese Ent-Täuschung. Danke, dass du mir diese Lektion mitgegeben hast. 

Gaslighting ist eine der schlimmsten Formen der Manipulation. Warum? Weil damit dem Gegenüber sein Wichtigstes genommen wird: Sein Selbstvertrauen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder, der schon einmal wach lag und sich dabei gefragt hat, ob seine eigene Wahrnehmung vielleicht langsam den Geist aufgibt, wird das bestätigen können. 

Vor ein paar Tagen habe ich noch gesagt, dass ich dir alles Schlechte dieser Erde wünsche. Ja − sagt man nicht, ich weiß. Ich wünsche dir auch eigentlich nur, dass du deine inneren Wunden und Verletzungen heilen kannst. Denn ich weiß, dass sie da sind. Das ist neben vielen anderen Dingen, die dich betreffen, nun endlich eine Sache, die ich ganz sicher weiß.

Und so puste ich die Gasflamme nun tatsächlich aus.  

 

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